29.08.2022

Bringt die deutsche Wirtschaftskrise die Eurozone zu Fall?

Von Sabine Beppler-Spahl

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Foto: AKuptsova via Pixabay / CC0

Mit dem wirtschaftlichen Schwanken Deutschlands werden auch die grundlegenden Konstruktionsschwächen der Eurozone noch deutlicher zum Vorschein kommen.

Drei Wirtschaftsnachrichten erreichten uns in den letzten Wochen, die wenig Gutes versprechen: 1. Der Euro-Kurs stürzt zum ersten Mal seit 2002 unter die Dollar-Parität. 2. Die Inflationsrate in der Eurozone weitet sich schnell aus und liegt höher als je zuvor (im Juli lag die Rate bei geschätzten 8,9 Prozent). 3. Auch das Handelsdefizit der Eurozone wächst und hat einen Rekordwert erlangt. 

Die Eurozone, so viel steht fest, ist in einer ernsthaften Krise. Doch während die Beschwörung von Krisen – z.B. des Klimas – hoch im Kurs steht, wirkt die Berichterstattung über dieses Thema fast verschämt. Das ist aus Sicht unserer Eliten verständlich. Zum einen gehen viele Probleme auf Fehlentscheidungen zurück, die sie mitzuverantworten oder unterstützt haben – und zum anderen ist eine Debatte über die Zukunft der Eurozone das letzte, was sich unsere Pro-EU-Eliten wünschen.

Verantwortlich für die Misere, heißt es, sei vor allem die russische Invasion der Ukraine. Das jedoch ist nur ein Teil der Wahrheit, denn schon vor dem 24. Februar war die Eurozone in keinem guten Zustand. Im Kern ist die wachsende Krise eine Krise der deutschen Wirtschaft. So eng verwoben mit und abhängig von Deutschland ist die Eurozone, dass der Spruch der ehemaligen Kanzlerin, „scheitert der Euro, dann scheitert Europa“, umgewandelt werden müsste. Treffender wäre es zu sagen: Scheitert Deutschland, dann scheitert die Eurozone.

„Die Eurozone, so viel steht fest, ist in einer ernsthaften Krise. Doch während die Beschwörung von Krisen – z.B. des Klimas – hoch im Kurs steht, wirkt die Berichterstattung über dieses Thema fast verschämt."

Als im Juli bekannt wurde, dass Deutschland zum ersten Mal seit 1991 – dem schwierigen Jahr nach der Wiedervereinigung – mehr importiert als exportiert, kam das einer Schocknachricht gleich. Zwar ist das Handelsdefizit von einer Milliarde noch nicht sehr hoch. Für ein Industrieland, das jahrelang vor allem durch seine Exporte glänzte, ist es trotzdem signifikant. Unvermeidlich ist damit auch der rasante Anstieg des Defizits der Eurozone. Denn Deutschland war das einzige große Mitgliedsland das, wie der britische Journalist und EU-Experte Matthew Lynn schreibt, stets einen Handelsüberschuss auswies. Wenn damit nun Schluss ist, wird auch der Euro, der nicht nur gegenüber dem US-Dollar, sondern auch gegenüber dem Schweizer Franken an Wert verliert, weiter unter Druck geraten.

Mit dem wirtschaftlichen Schwanken Deutschlands werden auch die grundlegenden Konstruktionsschwächen der Eurozone noch deutlicher zum Vorschein kommen. So z.B. bei der anhaltenden Staatschuldenkrise, die 2010 nur oberflächlich behoben, nicht jedoch gelöst wurde. In Griechenland  – das damals fast den Sturz des Euros einleitete – lag die Staatsschuldenquote im letzten Jahr (im Verhältnis zum BIP) bei fast 200 Prozent und damit deutlich höher als 2009 ( als sie bei fast 128 Prozent lag), Nach den harten Lockdowns während der Covid-Zeit kletterten die Werte auch in Spanien auf 120 und in Italien auf 155 Prozent. Im Juni dieses Jahres erreichten die Staatsschulden Italiens die schwindelerregende Höhe von fast 2,8 Billionen Euro.

Hinter diesen Zahlen verbergen sich mehr als nur die wirtschaftlichen Schwächen der betreffenden Länder. Sie sind auch eine Konsequenz des engen Währungskorsetts, das der Euro ihnen auferlegt. Anders als Länder, die souverän über ihre eigene Währung verfügen können, sind sie vollkommen von der EZB abhängig. Weder können sie ihre Währung abwerten, um die Exporte zu fördern, noch kann sich der Staat von der eigenen Zentralbank stützen lassen. Zur wirtschaftlichen Abhängigkeit kommt die politische hinzu, wie die jüngste Geschichte zeigt: Die EU hat sowohl in Italien als auch Griechenland Regierungen zum Fall gebracht – und Technokraten-Regierungen zur Macht verholfen, die sich Brüssel stärker verpflichtet fühlten als der eigenen Bevölkerung. Nun stellt sich angesichts der Krise der ganzen Eurozone die Frage, wie lange die Bürger eine solche Abhängigkeit akzeptieren werden.

„Noch ist es zu früh, über den Untergang der Eurozone zu spekulieren. Die europäischen Eliten haben sich – aus Gründen des eigenen Überlebens – immer enger an die EU und ihre Strukturen gebunden. Für die Bürger aber, die unter der wachsenden Inflation und den steigenden Energiepreisen zu leiden haben, sieht die Realität anders aus."

Noch ist es zu früh, über den Untergang der Eurozone zu spekulieren. Die europäischen Eliten haben sich – aus Gründen des eigenen Überlebens – immer enger an die EU und ihre Strukturen gebunden. Für die Bürger aber, die unter der wachsenden Inflation und den steigenden Energiepreisen zu leiden haben, sieht die Realität anders aus. Die EU-Kommission mag glauben, dass sie mit ihrer unausgegorenen Kampagne eines Green New Deal modern und überzeugend wirkt. Die Menschen in den Mitgliedsländern aber wollen wissen, wie sie ihre Rechnungen zahlen können. Das Beispiel der Bundesregierung, mit ihrem übereilten Ausstieg aus der Atomenergie, wird dabei kaum zur Stärkung des Vertrauens beitragen. Die Abhängigkeit von russischem Gas, in die sich Deutschland mit seiner Energiewende begeben hat, wird bei vielen die Frage aufwerfen, ob man auf das richtige Pferd gesetzt hat. Gleichzeitig werden aber auch die Bürger in Deutschland von ihren Politikern wissen wollen, wer in Zukunft für die hohen Kosten der EU aufkommen wird. Bleibt zu hoffen, dass sie das bald tun, denn ansonsten kann ein ziemlich böses Erwachen folgen.

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