06.06.2011

Was Sie schon immer über Energie wissen wollten, aber nie zu denken wagten (Teil 1)

Von Heinz Horeis

Die Natur kennt keine Erneuerbarkeit. Und sie verteilt auch kein Freibier. Heinz Horeis räumt mit populären Mythen rund um die sog. "erneuerbaren Energien" auf. Sie sind weder wirtschaftlich noch effizient. Der Name NIEs (Neue ineffiziente Energiequellen) wäre passender. Teil 2 folgt demnächst

Erdgasleitungen auf dem Grund der Ostsee sind „böse“. Ihr Bau verstört Fische und ein ökologisches Gleichgewicht, das, wie immer, ein empfindliches ist. Keinen Ausschlag hingegen verzeichnet die Betroffenheitsskala der üblichen Verdächtigen, wenn Bautrupps in Nord- und Ostsee mächtige Fundamente für Hunderte (irgendwann sollen es Tausende sein) von noch mächtigeren Windmühlen in den Meeresboden rammen. Wie passt diese Doppelbödigkeit im Kopf zusammen?

In George Orwells düsterem Roman 1984 über eine totalitäre Gesellschaft spielt das „Zwiedenken“ (in neueren Ausgaben auch „Doppeldenk“) eine Schlüsselrolle. Zwiedenken, so Orwell, ist die Fähigkeit, gleichzeitig entgegengesetzte Glaubensinhalte im Kopf zu halten und beide zu akzeptieren, bewusst Lügen zu erzählen und doch an sie zu glauben, jede Tatsache zu vergessen, wenn sie nicht passt, sie aber auch wieder hervorzuholen, wenn es denn genehm ist. Ein Zwiedenker wird immer eine Mopsfledermaus parat haben, um zu verhindern, dass Bäume für einen Flughafen gefällt werden. Errichtet man Windräder in Wäldern, spielen Fledermäuse keine Rolle. Ein Zwiedenker sieht Deutschland weltweit führend beim Klimaschutz. Er steht fest zu diesem Glauben, selbst wenn er erfährt, dass Frankreich pro Kopf nur halb so viel CO2 produziert wie Grünschland. Ein Zwiedenker ist auch der Hunsrücker Ortsbürgermeister, der für die Windmühlen auf Gemeindeland Zehntausende Euro an Pacht kassiert, aber nicht im Traum daran denkt, mit dem teuren Windstrom seine Gemeinde zu versorgen.

Zwiedenken, so Orwell, lässt sich nur mit fortdauernder Propaganda aufrechterhalten. Zwiedenken bewirkt, dass Begriffe ihren Sinn verlieren. So spricht die rheinland-pfälzische Umweltministerin Margit Conrad (SPD) von „hocheffizienten“ Energiequellen und meint damit Sonne, Wind und Biomasse, die zum Ineffizientesten zählen, was wir derzeit haben. Ebenso sinnentleert ist der Gebrauch des Begriffs „wirtschaftlich“ im Zusammenhang mit Solarzellen oder Windrädern. Ein Produkt ist wirtschaftlich, wenn es brauchbar ist und preislich mit vergleichbaren Produkten mithalten kann. Das ist beim überteuerten grünen Strom nicht der Fall. Solarzellen auf dem Dach rechnen sich nur deshalb, weil die Politik die Verbraucher gesetzlich dazu zwingt, diesen teuren Strom zu kaufen. Auch der Straßenräuber, der eine Pistole erwirbt, tätigt damit eine „wirtschaftliche“ Investition. Schließlich kann er damit den Leuten das Geld abnehmen.

Wirtschaftlichkeit, Kosten und Effizienz sind für Befürworter erneuerbarer Energien nachrangig. Sie kennen keine guten und schlechten Lösungen, sondern nur „gute“ und „böse Energien“. Erneuerbare Energie ist Weltanschauung, ist Religion. Das hinterfragt man nicht. Dabei fängt mit Begriffen wie „erneuerbar“ und dem inflationär gebrauchten „nachhaltig“ das Elend bereits an. Die Natur kennt keine Erneuerbarkeit. Sie kennt nur den ständigen Wandel. Während Sie diese Zeile lesen, hat die Sonne mal eben zehn Millionen Tonnen an Masse „verbrannt“. Die sind weg und erneuern sich nicht. Begriffe wie erneuerbar und nachhaltig suggerieren das Bild einer Welt, die es nicht gibt: statisch, risikoarm, immer gleichbleibend, immer schön temperiert, gemütlich für die Ewigkeit. Romantische Visionen – häufig von Leuten getragen, die vor vielen Jahren einmal als Revolutionäre begonnen haben. Heute gönnen sie sich den Luxus einer „erneuerbaren“ Energieversorgung, egal was es (die anderen) kostet. Denn teuer wird es. Die Natur verteilt kein Freibier.

Energie für lau?

„Sonne und Wind schicken keine Rechnung.“ Diese Botschaft bringt der Theologe Franz Alt seit vielen Jahren unter das gläubige Volk. Sie klingt gut, ist aber, wie jede Werbebotschaft, nichtsagend. Vor allem ist sie falsch. Denn was Alt für Sonne und Wind reklamiert, gilt auch für andere Energieträger. Uran entstand vor ein paar Milliarden Jahren in einer explodierenden Supernova. Eine wohlmeinende Natur (ein Theologe könnte auch von einem wohlmeinenden Schöpfer sprechen) schmiedete damals mit riesigem Aufwand an Energie einen extrem leistungsstarken Energiespeicher, den wir heute mit geringem Aufwand in Kernkraftwerken nutzen können. Eine Rechnung hat die Supernova für diese elegante Lösung bislang nicht gestellt. Auch die konzentrierte Biomasse, die wir als Kohle nutzen, hat die Natur in vielen Millionen Jahren produziert und eingelagert – umsonst, auch hier keine Rechnung. Für Wasserkraft, für Erdöl und Erdgas und andere Energiequellen gilt das Gleiche – auch diese sind kostenlos verfügbar.

Wo ist dann der Haken? Ganz einfach: Energieträger sind zwar umsonst vorhanden, aber nicht umsonst nutzbar. Energie muss gesammelt und in eine nützliche Form überführt werden. Dazu braucht man Windräder und Solarzellen, Bergwerke und Fördertürme, Kraftwerke und Staudämme, Aufbereitungsanlagen und Stromnetze. Dieses Sammeln und Umwandeln kostet Geld. Hier, bei der technischen Umsetzung, werden die Rechnungen gestellt, und diese fallen bei den „neuen Energien“ besonders hoch aus. Es ist, theologisch gesehen, wie mit dem himmlischen Segen. Ein großer Aufwand ist nötig, um ihn einzufangen und auf die (jeweils) richtigen Menschen zu verteilen. Dafür braucht es Kirchen, Moscheen und Tempel, Prediger und Priesterschaften, und das alles kostet Geld.

Aus dem gleichen Grund sind Aussagen wie „Die jährliche Sonneneinstrahlung in Deutschland übersteigt den Primärenergieverbrauch des Landes um fast das Hundertfache“ energiewirtschaftlich belanglos. Entscheidend ist nicht, wie viel vorhanden, sondern wie viel davon mit annehmbarem Aufwand nutzbar ist. Dieses Dilemma wird in allen Szenarien für eine Energieversorgung aus erneuerbaren Energien (sei es zu 100 Prozent oder weniger) deutlich: Diese Szenarien setzen, damit sie überhaupt funktionieren können, in der Regel einen erheblich verringerten Energieverbrauch voraus. Erstaunlich, wo doch Sonne und Wind angeblich im Überfluss, in „astronomischen Mengen“ vorhanden sind.

Ineffiziente Energiequellen

Solar- und Windlobby kehren den Widerspruch von „immensem Vorhandensein“ (die Werbebotschaft) und „geringer Nutzbarkeit“ (der reale Gehalt) unter den Tisch. Er bricht aber immer wieder durch – etwa in den tatsächlichen Kosten für Strom aus Sonne oder Wind. „Neue“ Energien sind deutlich teurer als die vorhandenen. Wäre das nicht der Fall, so müsste man sie nicht bis zur angeblichen Wirtschaftlichkeit subventionieren. Wirtschaftlichkeit heißt aber nicht, dass sich Solarzellen auf dem Dach für Hausbesitzer „rechnen“. Der Geldwert eines Produkts, so kann man schon bei Marx lernen, ist immer nur der Widerschein von greifbaren, materiellen Dingen. Kosten für Produkte und Leistungen sind immer ein Maß für zuvor aufgewandte Energie und Rohstoffe. (1) Wenn eine Kilowattstunde Strom aus Kohle oder Uran für wenige Cent produziert werden kann, diese aus Solarzellen allerdings 30 bis 40 Cent kostet, dann heißt das vor allem, dass Solarstrom rund das Zehnfache an Rohstoff- und Energieeinsatz benötigt wie Kohle- oder Nuklearstrom. „Bei gleicher Wirkung“, so schreibt Klaus Knizia, „ist die wirtschaftlich vorteilhaftere Lösung auch energetisch und ökologisch günstiger.“

Bei dem minimalsten Vernunftziel, das in der deutschen Energiepolitik derzeit realisierbar erscheint, nämlich der Verlängerung der Laufzeiten der deutschen Kernkraftwerke, geht es deshalb nicht um die angeblich exorbitanten Gewinne „böser“ Konzerne. Es geht um die für das Ganze wirtschaftlich und ökologisch beste Lösung. Höhere Kosten bedeuten, real gesehen, höherer Aufwand und höherer Ressourcenverbrauch. Mehr Arbeitskraft, mehr Material, mehr Energie, größere Flächen sind notwendig, um eine bestimmte Menge an nutzbarer Energie zu erzeugen. So sind, um eine Einheit Windstrom zu erzeugen, rund zehnmal so viel Eisen und Kupfer erforderlich wie zur Produktion einer Einheit Atomstrom. Eine Einheit Solarstrom (Fotovoltaik) benötigt sogar das 10- bis 100-Fache an Material. Auch Kohlestrom ist, was den spezifischen Rohstoffverbrauch angeht, deutlich effizienter als Wind- und Solarstrom. (2) Die Ursache dafür liegt in der Natur selbst: Sonne, Wind oder Biomasse sind dünne Energiequellen. Ihre Energiedichte liegt um ein Vielfaches unter der von Uran, Kohle oder Erdöl. An dieser Eigenschaft kann auch noch so viel Forschung und Entwicklung nichts ändern.

Die Sonne mag zwar „unbegrenzt“ scheinen und der Wind „unbegrenzt“ wehen. Nicht unbegrenzt vorhanden sind die Flächen. Windstrom zum Beispiel ist in größerem Umfang und einigermaßen wirtschaftlich nur an wenigen Stellen der Erde zu ernten: etwa in Patagonien, an der nordafrikanischen Küste, in der Antarktis, an der englischen Küste oder in den nordamerikanischen Ebenen, aber sicherlich nicht in Deutschland. Ebenfalls nicht unbegrenzt und nicht umsonst sind die Rohstoffe, die man für die technische Nutzung von Sonne und Wind benötigt. Damit gehen diese deutlich verschwenderischer um als die vorherrschenden Energieträger. Das bringt uns zurück zu der Aussage, dass erneuerbare Energiequellen „hocheffizient“ seien. Eine Technologie ist dann effizient(er), wenn sie einen Nutzen (etwa eine kWh Strom) mit geringerem Aufwand und zu geringeren Kosten als andere Technologien erzeugen kann. Daran gemessen sind Sonne und Wind nicht effizient, ganz im Gegenteil. Man sollte sie deshalb als das bezeichnen, was sie tatsächlich sind: Neue ineffiziente Energiequellen (NIEs).

Energie- und Leistungsdichte

Die „kostenlose und unbegrenzte Energie aus Wind und Sonne“ ist ein Werbespruch. Klingt gut, aber ernst nehmen muss man ihn nicht. Woran liegt es, dass die NIEs so schlechte „Performer“ sind? Verantwortlich dafür ist ihre geringe Energiedichte. Energie- und Leistungsdichte sind wichtige Kriterien, an denen sich die Wirksamkeit von Energiequellen messen und vergleichen lässt. Wohl deshalb spielen sie in der gegenwärtigen Energiedebatte, wo es vor allem um Befindlichkeiten geht, keine Rolle.
Energie, so die Schulphysik, ist die Fähigkeit, Arbeit zu verrichten. Leistung ist die Rate, mit der dies geschieht. Energie ist also eine Menge, Leistung ein Fluss. Energiedichte bezieht sich auf die Energiemenge, die in einer Volumen- oder Masseneinheit steckt. In der Energiewirtschaft wird sie meist in Kilogramm Steinkohleneinheiten (kgSKE) oder Kilowattstunden (kWh) gemessen. 1 kgSKE hat einen Energiegehalt von 8,1 kWh. Um das anschaulich zu machen: Umgewandelt in Strom reicht ein Kilogramm Steinkohle aus, um den täglichen Strombedarf eines Drittel-Haushalts zu decken. Ein Kilogramm Natururan enthält so viel Energie wie zehn Tonnen Steinkohle. Das reicht für den Tagesbedarf von etwa 500 Haushalten. Wird Uran durch Brutreaktoren und Wiederaufarbeitung vollständig genutzt, wären es einige Zehntausend Haushalte! Trockene Biomasse – Holz, Mais, Schilfgras etc. – hat etwa den halben Brennwert von Steinkohle. Das klingt auf den ersten Blick recht ordentlich, setzt allerdings einen enormen Flächenbedarf voraus.

Das sieht man besonders schön, wenn man sich der Leistungsdichte von Energiequellen zuwendet. Diese wird zum Beispiel in Watt pro Kilogramm, pro Quadrat- oder Kubikmeter gemessen. Leistung pro Fläche, also Watt pro Quadratmeter, ist gerade bei NIEs ein wesentliches Maß. Damit gemessen ist Biomasse ein extrem schlechter Performer: Die über das Jahr gemittelte Leistung (Brennwert des jährlichen Zuwachses) liegt in unseren Breiten unter einem Watt pro Quadratmeter! Würde das Ludwigshafener Werk der BASF seinen Energiebedarf aus Biomasse decken wollen, wären dazu einige Hundert Quadratkilometer erforderlich. Ein paar Zahlen, die grundlegend für alternative Energieszenarios sind, sollte man noch wissen. In Deutschland liefert die Sonne pro Jahr eine Energiemenge zwischen 900 und 1200 kWh/m2. Umgerechnet ergibt das eine durchschnittliche Leistung von 100 bis 140 W/m2. Dieser Wert gilt für nördliche Breiten; je weiter man Richtung Äquator geht, desto höher wird die Sonnenstrahlung. In den Tropen erreicht sie Werte von bis zu 2200 kWh/m2 pro Jahr, entsprechend einer Leistungsdichte von 250 W/m2. Größenordnungsmäßig liefert die Sonne also eine durchschnittliche Leistung von wenigen 100 Watt pro Quadratmeter. Das ist eine dünne Energiequelle, ganz gleich, ob sie nun in Bayern oder in der Sahara („Desertec“) genutzt wird. Die gerade mal doppelte Leistungsdichte der Sonnenstrahlung in südlichen Wüsten reicht nicht aus, um Solarstrom aus der Wüste in den Bereich der effizienten Energiequellen zu katapultieren.

Biosphäre versus Technosphäre

Natürlich können Menschen mit traditionellen Energiequellen überleben. Sie haben es seit Zehntausenden von Jahren geschafft, allerdings auf vorindustriellem Niveau, unter schlechten Lebensbedingungen und vor allem in wesentlich geringerer Zahl. Als der Mensch noch im Einklang mit der Natur nur von der Natur lebte, fanden auf der Erde vielleicht ein paar Millionen Menschen ein Auskommen. Auch heute noch steht vielen Menschen nicht viel mehr als die alten Energien zur Verfügung; sie leben, wen wundert’s, in den armen Ländern. Sie bearbeiten ihre Felder mit „Bioenergie“ – menschlicher und tierischer Muskelkraft. Sie kochen mit Holz, trocknen Kuhdung für ihren Herd. In manchen Regionen glühen Hunderte von Meilern, in denen Holzkohle hergestellt wird. Man überlebt mehr schlecht als recht.

Heute sollen, zumindest in Deutschland, auch Industriegesellschaften mit diesen alten erneuerbaren Energiequellen über die Runden kommen. Wunschszenarien dazu gibt es inzwischen hinreichend. Das reicht von 100 Prozent erneuerbarem Strom im Jahre 2050 bis hin zu einer Vollenergieversorgung mit Sonne, Wind und Biomasse, wie sie etwa das rheinland-pfälzische Umweltministerium propagiert. Was all diese Szenarien ausblenden, ist die Frage nach der Wirtschaftlichkeit und nach den Kosten. Hans-Dieter Harig, gelernter Ingenieur und früherer Chef von E.ON, Europas größtem privaten Energieversorger, stellte in einem Gespräch mit dem Wochenblatt Die Zeit vor etlichen Jahren fest, dass sich der Strombedarf Deutschlands aus regenerativen Quellen decken ließe, allerdings nur, wenn wir ein Drittel des Sozialprodukts für Strom ausgeben würden. Realistisch ist das nicht.

Auch Margareta Wolf, ehemals Staatssekretärin unter Umweltminister Jürgen Trittin, sollte es wissen. Als sie 2008 die grüne Partei verließ, erklärte sie gegenüber der Berliner Zeitung: „Die Behauptung, man könne nur aus erneuerbaren Energien die Energieversorgung einer Industrienation wie Deutschland sicherstellen, grenzt an Volksverdummung.“ Wer hat nun recht – das Mainzer Umweltministerium oder die ehemalige Grüne Wolf? Man kann der Frage experimentell nachgehen. Ein solches Experiment läuft derzeit in Deutschland und kostet den Bürger inzwischen viele Milliarden pro Jahr – Tendenz steigend, Ergebnis absehbar schlecht. Statt sich vorschnell in ein riskantes Experiment zu stürzen, kann man aber auch seinen Verstand benutzen. Ein paar grundlegende Überlegungen helfen dabei.

Betrachten wir dazu einige Größen, die die Energiebilanz des Biosystems Mensch bestimmen. Sein Tagesbedarf an Nahrung liegt bei rund 2800 kcal. Umgerechnet entspricht das einer durchschnittlichen Leistungsaufnahme von 135 Watt. Leisten kann ein Mensch, wenn er kräftig ist, über mehrere Stunden etwa 100 Watt. Das reicht immerhin, um eine Glühbirne zum Leuchten zu bringen, und entspricht, nebenbei gesagt, einer Leistungsdichte von wenigen 100 Watt pro Kubikmeter Körpervolumen. Der „biologische“ Energiedurchsatz des Menschen liegt also bei rund 100 Watt. Das entspricht nicht zufällig der Größenordnung der Sonneneinstrahlung auf der Erde. Fein, könnten da Befürworter der NIEs sagen: Da hat doch der Mensch mit Sonne und Wind sein natürliches energetisches Maß wiedergefunden. Dies ist jedoch ein Irrtum, denn im Lauf der Geschichte ist der Mensch der Biosphäre als versorgender Umwelt mehr und mehr entwachsen. Er lebt inzwischen vor allem in und durch die Technosphäre, je nach Weltregion in unterschiedlichem Maß. Diese technische Lebensumwelt umfasst Wohnung, Heizung und Kühlung, Bildungs- und Gesundheitssysteme, Nahrungsmittelerzeugung, Güterproduktion, Kommunikations-, Transport- und Energieinfrastruktur und so fort. Diese Technosphäre sorgt heute dafür, dass wir lange und in großer Zahl auf der Erde leben können. Ihr ist es zu verdanken, dass in diesem Land der Kampf ums bloße Überleben ausgefochten ist.

Umsonst gibt es dieses angenehme Leben natürlich nicht, auch wenn es manchem so erscheinen mag. Die Gesamtleistung, die jeder Bundesbürger benötigt, um die Technosphäre aufrechtzuerhalten, beträgt durchschnittlich 5500 Watt. Sie ist damit rund 50 Mal höher als der rein biologische Leistungsbedarf. Diesen Bedarf mit dünnen biosphärischen Energiequellen wie Sonne, Wind oder Biomasse decken zu wollen, ist eine Illusion. Das zu behaupten, grenzt nicht nur an, sondern ist „Volksverdummung.“ Technosphären sind unterschiedlich ausgeprägt, abhängig davon, in welchem Teil der Welt Menschen leben. Entsprechend unterscheiden sich auch die Pro-Kopf-Leistungen, die aufzubringen sind, um sie aufrechtzuerhalten. Am unteren Ende findet sich etwa Indien. Dort liegt dieser Betrag bei 400 Watt pro Einwohner. Dort spielt auf dem Land Technik eine geringe Rolle. Körperliche menschliche und tierische Arbeit herrscht immer noch vor; Energiequellen sind Holz und landwirtschaftliche Abfälle. Man überlebt nicht gut, dafür aber nachhaltig.

Der Weltdurchschnitt liegt bei 2100 Watt pro Kopf. Das ist fünfmal höher als der Wert für Indien und fünfmal niedriger als der höchste Wert in den Industrienationen. Bei diesen großen Unterschieden kann man eines mit Sicherheit feststellen: Der weltweite Energieverbrauch wird in den kommenden Jahrzehnten nicht abnehmen. Im Gegenteil, er wird kräftig wachsen, und das vor allem mit effizienten Energiequellen. Die deutschen Energievisionen werden darauf keinen Einfluss haben.

Zusammenfassend lässt sich festhalten: Die Energie, die für das Leben in einer technischen Umwelt benötigt wird, übersteigt den biologischen Bedarf um das 15-Fache (Weltdurchschnitt) bzw. 30- bis 70-Fache (Industrieländer). Das macht eine Größenordnung aus. Prinzipiell sind deshalb die sogenannten erneuerbaren Energien aufgrund ihrer geringen, biologischen Maßstäben entsprechenden Leistungsdichte nicht geeignet, um unsere technische Lebensumwelt zu erhalten. Versucht man es dennoch, geht das nur auf Kosten anderen Lebens, wie der globale Ausbau der Bioenergie mit massiver Abholzung der Regenwälder, Verdrängung von Kleinbauern und Einschränkung der Nahrungsmittelproduktion zeigt.

Klaus Knizia kommentiert die Unausführbarkeit solcher Utopien wie folgt: „[Diese Utopien] setzen voraus, dass es entweder irgend etwas umsonst gibt oder das für die Unwirtschaftlichkeit andere bezahlen müssen, und sie setzen voraus, dass Bedürfnisse und Handlungen der Menschen ideologisch zu reglementieren sind, ohne rational begründbar zu sein.“ Eine gute Beschreibung der „German Disease“ wie es der britische Umweltaktivist George Monbiot (3) nennt. In Ideologie waren wir schon immer Streber.

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