12.08.2011

Smart Meter: Wenn der große Bruder nachts das Mittagessen kocht…

Von Günter Keil

Mit Hilfe sogenannter Smart Meter - „intelligenter“ Stromzähler - sollen wir zu ökologisch korrektem Verhalten erzogen werden. Günter Keil beschreibt eine Technik, die nicht hilft den Stromverbrauch zu senken, dafür aber der Kontrolle der privaten Lebensführung Tür und Tor öffnet

Die Idee scheint plausibel: Der Stromzähler soll mehr können, als nur Kilowattstunden aufzuaddieren. Er soll über das Internet mit dem Versorger kommunizieren, den Stromverbrauch im Hause qualitativ bewerten, die Tageszeit-abhängigen Tarife anzeigen und bestimmte Verbraucher abschalten, wenn Strom gerade zu viel kostet. Deshalb heißt er auf neudeutsch Smart Meter.

Hört sich gut an, aber dieses Kästchen öffnet auch regierungsamtlichen Regulierungs- und Bürgererziehungs-Absichten Tür und Tor. Licht und Schatten liegen wie bei fast jeder Technik dicht beieinander, insbesondere, wenn eine Regierung, die Energiesparen beinahe schon zur ethischen Pflicht erhebt, den innovationsunwilligen Bürgern am Ende mit Nachdruck zur richtigen Gesinnung verhelfen will.

Betrachtet man den tatsächlichen Stromverbrauch in einem Einfamilienhaus, so stellt sich rasch heraus, dass nur wenige “dicke” Verbraucher die gesamte Bilanz bestimmen. Es ist einfach, diese zu finden: Es sind die Geräte, die mit Strom Wärme oder Kälte erzeugen. Also der Kochherd, die Spülmaschine, der Kühlschrank, die Tiefkühltruhe, die Waschmaschine und der Wäschetrockner. Vergessen Sie alle übrigen Verbraucher: Beleuchtung, Computer, Fernseher, alle Geräte mit Motor, die Umwälzpumpe der Heizung, selbst Fön, Toaster, Kaffeemaschine oder die Mikrowelle spielen – trotz teilweise intensiver Wärmeerzeugung – wegen ihrer geringen Nutzungsdauer praktisch keine Rolle bei Ihrer Stromrechnung. Geht man mit diesem Hintergrund auf die geeignete Geräte-Zielgruppe der intelligenten Zähler ein, bleiben allein die oben genannten „Dicken“.

Dann geht es zur nächsten Frage: Welches dieser Geräte eignet sich dazu, extern vom Stromversorger je nach aktueller, sich ständig ändernder Tarifsituation ein- oder ausgeschaltet zu werden? Die Antwort liegt in deren Nutzung: Kühlschrank und Tiefkühltruhe müssen ständig eingeschaltet bleiben; sie halten nur dann ihre Temperatur, wenn sie sich in einem regelmäßigen Takt selbst ein- und ausschalten. Auch der Kochherd wird dann betrieben, wenn er zum Kochen gebraucht wird – und niemand wird auf die Idee kommen, mit der Zubereitung einer Mahlzeit so lange zu warten, bis das Energieversorgungsunternehmen (EVU) vielleicht um Mitternacht den Herd einschaltet. Der Wäschetrockner verbraucht ziemlich viel Strom – aber nur Altgeräte tun das. Moderne Trockner arbeiten mit nicht aufgeheizter Luft. Kein Problem mit hohem Stromverbrauch.
Bleibt vor allem die Waschmaschine übrig. Jetzt fällt auf, dass in sämtlichen Werbeartikeln für die Smart Meter immer nur die Waschmaschine als tolles Beispiel dafür genannt wird, wie ein Verbraucher in den billigen Schwachlastzeiten extern ein- und ausgeschaltet werden kann und wie sehr das Strom spart.

Aber nicht einmal dieses Beispiel wird der Realität in einem Haushalt gerecht: Eine intelligent für verschiedene, nacheinander erfolgende Waschvorgänge genutzte Waschmaschine erfordert eine entsprechende Bedienung, die über das nächtliche EIN und AUS erheblich hinausgeht. Dieses übriggebliebene Beispiel hinkt auch noch auf einem weiteren Fuß: Eine Waschmaschine verbraucht für die meiste Zeit, in der sie in Betrieb ist, nur sehr wenig Strom, und zwar nur für ihren Motor.  Zum nennenswerten Stromverbraucher wird sie einzig und allein dann, wenn sie Wasser aufheizt, also Wärme erzeugen muss. Und das geschieht nur während weniger Minuten. Das Gleiche gilt für die Spülmaschine. Kaum jemand wird wegen der dabei vom intelligenten Zähler verursachten geringen Geldersparnis – die verbrauchte Energie bleibt schließlich die selbe, nur der Tarif ist billiger - das nächtliche Rumoren seiner Waschmaschine oder Spülmaschine in Kauf nehmen.

Daß es sehr wahrscheinlich zu überhaupt keiner Geldersparnis kommt, hat der Spiegel in einem vernichtenden Artikel mit der Überschrift “Teure Ersparnis” dargelegt: Die Smart Meter führen zu beträchtlichen Kosten – für den Austausch des Zählers, eine jährliche Dienstleistungsgebühr, eine permanente DSL-Verbindung -, die sehr wahrscheinlich sehr viel mehr Geld verschlingen, als jemals gespart werden kann. Im Übrigen führt die DSL-Verbindung zu einem nicht unbeträchtlichen Strom-Mehrverbrauch, der am Ende sogar zu einer insgesamt höheren Stromrechnung führen kann. Die einzigen Vorteile liegen bei den Herstellern der Geräte und beim Energieversorger. Aber in Anbetracht der offensichtlichen Unbrauchbarkeit dieser Technik für Privatkunden und ihres entsprechend geringen Interesses würden diese Unternehmen in einer normalen Marktwirtschaft ihre Aktivitäten auf Industriekunden richten, die schon lange darauf achten, zeitlich verschiebbaren hohen Stromverbrauch in günstige Tarifzeiten zu verlegen. Aber leider leben wir in einem Land, in dem jede Regierung auch Technologien ohne Marktchancen nach Kräften zu fördern bereit ist, wenn ihnen ein ökologischer Anschein zugesprochen werden kann. Und Stromsparen ist zwar in der Wirtschaft ökonomisch sinnvoll, bei Privatleuten bedeutet es jedoch vor weitaus mehr ein umweltgerechtes Verhalten, erst recht, wenn die Kosten höher sind als die Ersparnis.

In der Technik der intelligenten Stromzähler sah die Regierung nun eine gute Gelegenheit, um unwilligen Bürgern das Stromsparen mit Nachdruck nahe zu bringen. Selbst wenn es in der Sache nichts bringt, dient es doch der Öko-Erziehung der Menschen. Deshalb gaben die Unternehmen den Privatsektor nicht auf, sondern setzten auf die Politik. Und sie hatten damit recht, denn diese hat beschlossen, die von den Kunden überwiegend abgelehnte Technik nun zwangsweise einzuführen. Das hat inzwischen in Deutschland Tradition: Siehe das Erneuerbare Energien-Gesetz (EEG), mit dem - koste es was es wolle - für eine zuverlässige Stromversorgung vollkommen unbrauchbare und teure Techniken wie die Photovoltaik und die Windkraft zwangsweise eingeführt werden. Von der massiv umweltschädlichen Biogaserzeugung gar nicht erst zu reden.

Der Hebel dazu und der Grund für die Gewinnerwartungen der Industrie ist die Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) und der neuen Meßstellenzugangsverordnung von 2008. Mit der Änderung des EnWG besteht seit dem 1.1.2010 die Pflicht, bei Neubauten und Modernisierungsmaßnahmen Smart-Metering-Geräte zu verwenden. Ebenso muss allen Endverbrauchern ein “intelligentes Zählermanagement” angeboten werden. Diese Umstellung soll bis 2016 abgeschlossen sein. Es beginnt vorsichtig: Zunächst soll der kluge Zähler den Verbrauchern nur einen Überblick über ihren Stromverbrauch geben.

Inzwischen wird bei den EVU und den Herstellern über die richtige Technik für die Kommunikation zwischen Zähler und EVU debattiert. Die bisher verwendete GPRS-Technik verursacht für jede Abfrage deutliche Kosten. Auch sei die Anzeige-Verzögerung von 24 Stunden zu lang. Man denkt daher an eine Anbindung durch Breitbandnetze – z.B. das in Unternehmen verwendete Ethernet – nach. Dienstleister träumen jetzt von der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle auf der Basis einer Echtzeit-Kommunikation mit dem Verbraucher. Gerade für die Versorger sei es interessant, nun ein viel größeres Produktspektrum aus einer Hand anzubieten, zum Beispiel Strom, Gas, Telefon und Internet – und dies zusätzlich mit neuen Informationsmöglichkeiten, sprich Werbung, zu verknüpfen. Die Kabelnetzbetreiber wiederum könnten über das Vermieten ihrer Leitungen hinausgehen und selbst als Mess-Dienstleister auftreten. Goldgräberstimmung kommt auf.

Zwangseingriffe sind vorerst nicht geplant, bei unserer in Energiefragen auf Zwangsbeglückung fixierten Regierung aber keineswegs auszuschließen. Man muss dazu das EnWG nur ein wenig ändern. Die Öko-Nachtigall hört man bereits trapsen: In einem Fachartikel schwärmt Thomas Prauße, der geschäftsführende Vorsitzende der Stadtwerke Leipzig GmbH, dass “das eigene Verhalten somit auf objektiver Basis kritisch hinterfragt werden (kann). Eine Visualisierung des eigenen CO2 –Ausstoßes ermöglicht eine ökologische Bewertung des eigenen Verbrauchs.” Es fehlt eigentlich nur noch die automatische Abbuchung von Strafgebühren bzw. Ablaßzahlungen für Bürger, die ein ihnen vom Staat zugestandenes CO2 – Kontingent überzogen haben.

Peinlich nur, wenn dann bei wachsendem Atomstrom-Import aus Frankreich und Tschechien der reuevolle CO2 –Sünder am Display sogar eine Verbesserung seiner Treibhausbilanz sieht – wahrscheinlich aber verbunden mit den erhöhten Kosten dieses CO2–freien Auslandsstroms. Auch Herr Prauße träumt nach wie vor von “netzwerkfähigen Haushaltsgeräten”, die “zukünftig exakt in den Zeiten betrieben werden, in denen Energie zum Beispiel durch mehr Sonne oder stärkeren Wind günstiger ist. Unabhängig von vordefinierten Zeiten (!!) werden Steuerimpulse für die netzintegrierten Haushaltsgeräte abgegeben, um diese einzuschalten.” Schöne Grüße vom Großen Bruder, der es auch mit dieser Entmündigung nur gut meint. Vom Nutzer dieser Haushaltsgeräte und seinen eigenen Interessen ist bezeichnenderweise gar nicht mehr die Rede.

Damit aber noch nicht genug: “Über das intelligente Netz (Smart Grid) sind Elektroautos in der Lage, einen Beitrag zur Ausbalancierung des schwankenden Angebots erneuerbarer Energien im Stromnetz zu leisten. Sie fungieren als mobile Speicher, die geladen werden können, wenn zu viel Strom zur Verfügung steht. Und sie können elektrische Energie ins Netz speisen, wenn ein Mehrbedarf verlangt wird.” (T. Prauße, BWK Bd. 63 , 2011, Nr.3).

Was Herr Prauße übersieht: Die Lebensdauer der extrem teuren Batterien von Elektroautos wird wesentlich von der Anzahl der Lade-Entladezyklen bestimmt und es ist schwer vorstellbar, dass sich die Besitzer auf eine solche sowohl schädliche als auch zeitlich vollkommen unberechenbare Fremdnutzung einlassen würden.

Man muss diesem Herren dafür danken, dass er die Eingriffsmöglichkeiten in die Lebensführung der Bürger, die intelligente Stromzähler bieten, so deutlich beschrieben hat.
Er ist ein Visionär, der nur etwas voreilig beschrieben hat, wohin die Einführung der Smart Meter führen kann – bzw. führen soll. Unseren Datenschützern ist es womöglich noch nicht aufgefallen, in welchem Maße mit einer derartigen Technik aber auch eine Kontrolle dieser Lebensführung verbunden ist und wie diese Kontrolle noch ausgeweitet werden kann.

Techniken sind wertfreie Werkzeuge, weder gut noch böse. Die Frage ist immer nur, was man damit macht. Und was man bleiben lässt.

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