11.10.2017

Sackgasse Energiewende

Von Novo-Redaktion

Titelbild

Foto: skeeze via Pixabay / CC0

Eine Novo-Diskussionsveranstaltung mit dem Wissenschaftsjournalisten Heinz Horeis widmete sich der Zukunft der Energieversorgung.

„Es gibt kein Ende des fossilen Zeitalters, im Gegenteil: Es hat gerade erst angefangen“, erklärte der renommierte Wissenschaftsjournalist Heinz Horeis auf einer Novo-Veranstaltung am 21. September 2017 in Frankfurt/Main. Selbst in Deutschland, das sich als Vorreiter einer von der rot-grünen Regierungskoalition um die Jahrtausendwende auf den Weg gebrachten Energiewende sieht, werden noch heute satte 81 Prozent des Energieverbrauchs durch fossile Energieträger gedeckt. Die noch bis vor wenigen Jahren immer wieder erneuerten Prognosen über „Peak-Oil“, „Peak-Coal“ usw. haben sich alle als falsch erwiesen. Selbst bei steigendem Energiebedarf, so Horeis, würden etwa die heute bekannten Braunkohlevorkommen Deutschlands noch für mindestens 200 Jahre reichen, die globalen Kohlevorräte noch erheblich länger. Weltweit sorgen die Entdeckung immer neuer Rohstoffvorkommen wie auch effizientere Verfahren wie Fracking dafür, dass eine propagierte „Endzeit“ immer wieder hinausgeschoben wird.

Ohnehin wird der Wandel hin zu neuen Energieträgern nach Einschätzung von Horeis evolutionär verlaufen und von der hiesigen „Subventionitis“ zugunsten regenerativer Energien unabhängig sein. Steigende Kosten für die fossilen Energieträger werden diese Evolution antreiben, da in sehr ferner Zukunft die Rohstoffgewinnung durch die geringere Ergiebigkeit der Vorkommen teurer werde. Es bleibt dann, wie auch in der Vergangenheit, der Kreativität der Menschen überlassen, die in unserem Sonnensystem im Überfluss vorhandenen Energien auf neue Weise nutzbar zu machen.

Bei dem Hinweis darauf, dass in Deutschland trotz des massiven und kostenträchtigen Ausbaus von Solar- und Windenergie die regenerativen Energiequellen nur knapp drei Prozent des gesamten Energiebedarfs decken, kamen einige Zuhörer ins Grübeln. Liest man nicht immer wieder, dass inzwischen ein hoher Anteil der in Deutschland genutzten Energie aus Sonne und Strom stammen? Das konnte Horeis gleich geraderücken. Diese in den Medien genannten Zahlen beziehen sich üblicherweise nur auf den Stromverbrauch und der ist eben nur ein kleiner Teil des gesamten Energiebedarfs. Man kommt zu astronomisch hohen Zahlen für die angestrebte komplette Energiewende, wenn man bedenkt, dass die Deutschen für die Umstellung auf drei Prozent regenerative Energien bislang bereits 600 Milliarden Euro hinblättern mussten. Die vollkommene Umstellung auf regenerative Energien wird jedoch, so Horeis, weder in Deutschland noch weltweit möglich sein. Die tiefere Ursache hierfür liegt nicht so sehr in den enormen Kosten, sondern ist physikalischer Natur.

„Die vollkommene Umstellung auf regenerative Energien wird weder in Deutschland noch weltweit möglich sein.“

Dies erläuterte Horeis anschaulich für die aus Windkraft und Sonnenlicht generierbare Energie. Beide sind „dünne“ Energieflüsse. Sonnenlicht liefert, übers Jahr gemittelt, global etwa 170 Watt pro Quadratmeter. Nur etwa ein Prozent dieser Sonnenenergie wird durch die natürliche Photosynthese umgewandelt und somit nutzbar. Damit wird theoretisch eine Grünfläche von fünfzig Quadratmetern benötigt, um eine Glühbirne von 100 Watt dauerhaft brennen zu lassen. Bei Solarzellen ist der Ertrag zwar größer, dennoch ändert dies nichts am Grundproblem. Der Energiestrom ist extrem schwach.

Mit diesem Problem hatte die Menschheit zu kämpfen, bis sie die Kohle entdeckte. Der entscheidende Umstand für die industrielle Revolution war daher nicht so sehr die Dampfmaschine, sondern die Nutzbarmachung der Kohle. Diese Entdeckung bedeutete die Verfügbarkeit einer Energiequelle, die im Vergleich zum nur langsam nachwachsenden Rohstoff Holz schier unerschöpflich ist. In der Kohle steckt die über Jahrmillionen kumulierte Energie des Sonnenlichts. Es ist praktisch unmöglich, den enormen und weiter steigenden Energiebedarf der Weltbevölkerung auf Basis des dünnen Sonnenlichts und der auf der Erde herrschenden niedrigen Windgeschwindigkeiten zu decken. Grüne Energiespeicher bieten auch keine Lösung. Prinzipiell ist es zwar möglich, den dünnen Energiefluss von Wind und Sonnenlicht in eine speicherbare Form umzuwandeln – praktisch aber selbst im relativ reichen Deutschland unbezahlbar. Wir reden hier nicht über Kilowattstunden, wie bei der Speicherung von Strom vom Dach, sondern über Terrawattstunden. Fossile Energieträger bieten, was in einer modernen Industriegesellschaft dringend benötigt wird: jederzeit verfügbare und in praktisch beliebigem Umfang nutzbare Energie.

In der sich dem Vortrag anschließenden Diskussion wurde teilweise etwas ungläubig reflektiert, dass ein aus wissenschaftlicher Sicht irrationales Konzept wie die Energiewende verfolgt und von den etablierten Parteien sogar als alternativlos angesehen wird. Dass die Energiewende dennoch verfolgt wird – so eine Einschätzung aus dem Publikum –, könnte daran liegen, dass kaum mehr Vertrauen in die Beherrschbarkeit risikoreicher Technologien vorhanden ist. Der deutsche Atomausstieg nach dem Reaktorunglück von Fukushima war ein Ausdruck dieses Misstrauens in die Fähigkeiten der Menschheit. Folglich wird man jedoch auf die Anwendung risikoarmer Energieträger wie Sonnenlicht und Wind zurückgeworfen.

„Ein Ausweg aus der Sackgasse Energiewende könnte in disruptiven technologischen Veränderungen liegen.“

Die Hoffnung, dass die politischen Eliten den von ihnen eingeschlagenen Irrweg eingestehen könnten, wurde in der Diskussion von niemandem gehegt. Eher würden die Menschen erkennen, dass die Energiewende deutlich mehr Geld kostet als die von den Grünen einst propagierte Eiskugel. Zudem gehen derzeit ganze von der Energiewende betroffene Industriezweige kaputt. Dies hat in einigen Regionen Nordrhein-Westfalens und auch Baden-Württembergs – so ein Teilnehmer – bei Maschinen- und Anlagenbauern zu spürbaren Job-Verlusten geführt. Dies habe auch dazu beigetragen, dass die letzte Landesregierung NRWs abgewählt und das Wählervertrauen in das Elitenprojekt Energiewende geschmälert wurde. Kontrovers wurde diskutiert, ob ein aus der Destabilisierung des Stromnetzes durch die regenerativen Energien herrührender Blackout zu einem Umdenken führen könnte.

Ein langfristiger Ausweg aus der Sackgasse Energiewende, so Horeis, könnte in disruptiven technologischen Veränderungen liegen. Als eine solche Technologie bezeichnete er den „Dual Fluid Reactor“ (DFR). Entworfen hat ihn eine Gruppe internationaler Kernphysiker, die sich im Institut für Festkörper-Kernphysik Berlin zusammengeschlossen haben. Der DFR ist eine grundlegend verbesserte Version des „Molten Salt Reactors“ (MSR, Flüssigsalzreaktor), der schon vor einigen Jahrzehnten in den USA erfolgreich getestet wurde. Damit wird es möglich, Kernenergie auch ohne vorhergehende Urananreicherung zu erzeugen. Der DFR kann dadurch einen „Erntefaktor“ von etwa 2000 erreichen, d.h. im Verhältnis zu der kompletten in das Verfahren investierten Energie erzeugt man eine um den Faktor 2000 erhöhte Energiemenge. Die „grünen Energien“, einschließlich des Energieaufwands für die erforderlichen Speicher, erreichen lediglich Erntefaktoren zwischen 1,6 (Photovoltaik) und 3,9 (Wind). Selbst die heutige Kernenergie erreicht nur einen Erntefaktor von 75.

Die Technologien für den DFR, so Horeis, existieren schon seit Jahrzehnten, müssten jedoch zur Marktreife entwickelt werden. Im gegenwärtigen politischen Umfeld erscheint das jedoch schwierig. Die Kernenergie ist in Deutschland politisch tot. Obendrein hat sich das SPD-Wirtschaftsministerium der letzten Bundesregierung klar gegen disruptiven Wandel positioniert. Wahrscheinlich, so Horeis, wird diese Umwälzung nicht in der westlichen Welt erfolgen, sondern in China. Das Land baut die fossile Energieversorgung massiv aus, bringt aber auch die Kernenergie stark voran. Eine Renaissance der Kernenergie, zumal mit dem revolutionären „Dual Fluid Reaktor“, könnte auch die für Erderwärmung verantwortlich gemachten CO2-Emissionen reduzieren. Über die Frage, wie vernünftig die auf CO2-Reduktion setzende Energiepolitik tatsächlich ist und ob CO2 überhaupt für die Erderwärmung verantwortlich gemacht werden kann, gingen die Meinungen aus dem Publikum auseinander.

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